Das war dir zu bunt, laut und schräg?
Keine Sorge!
Hier findest du nochmals alle Informationen auf einen Blick
Das wichtigste und gleichzeitig unbezahlbarste Gut unserer Zeit ist die Aufmerksamkeit – Konnten wir deine catchen?
Auf dieser Website geht es weder um Terror, noch Hitler und auch nicht um Ficken oder Titten, sorry. Falls du Angst hattest, kannst du jetzt ganz beruhigt weiterklicken – falls du enttäuscht bist, tut es uns leid. Doch das was dich hier erwartet, ist mindestens genau so interessant und innovativ, wie die Startseite auf der du vor wenigen Sekunden gelandet bist.
Wir möchten dir das Thema Aufmerksamkeit etwas näher bringen. Bevor du die Seite voreilig verlässt, gib ihr bitte eine Chance dich davon zu überzeugen, was für ein spannendes und wichtiges Thema die Aufmerksamkeit in der heutigen Zeit einnimmt. Du wirst garantiert Dinge erfahren, die dich überraschen werden und neu gewonnenes Wissen erhalten, aus dem du einen persönlichen Nutzen ziehen kannst – versprochen!
Wusstest du, dass in jeder Sekunde 12 Millionen Bits an Wahrnehmungseinheiten auf deine Sinne einprasseln? 12 Millionen, aufgeteilt in die Dinge die du siehst, hörst, fühlst, riechst und schmecken kannst. Denk jetzt ein Mal kurz drüber nach, was du jetzt in diesem Moment gerade riechen kannst. Vor zwei Sekunden, hast du diesen Geruch noch nicht bewusst wahrgenommen – er war aber trotzdem da.
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Wenn du alle Informationen, die dich pro Sekunde erreichen, gleichermaßen bewusst wahrnehmen würdest, wärst du damit völlig überfordert. Deshalb filtert dein Gehirn die wichtigsten Informationen automatisch für dich heraus. Du kannst nämlich von diesen 12 Millionen Bits nur 40 Bits/Sekunde wahrnehmen. Wie also schaffen es Politik, Medien, Werbung & Co. deine Aufmerksamkeitskapazität dorthin zu lenken, wo sie deine 40 Bits haben wollen?
Die Antwort ist ebenso simpel wie kompliziert – sie triggern deine Aufmerksamkeit. Doch wie schaffen sie das?
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Die Gründe dafür liegen in der allgemeinen Wahrnehmungspsychologie und den bereits erwähnten Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozessen innerhalb unseres Gehirns.
Unser Gehirn ist dazu in der Lage, durch die Reduktion der Informationseinheiten, durch gemachte Erfahrungen und gespeicherte Erinnerungen, Alltagssituationen zu erkennen, diese einzuordnen und angemessen auf sie zu reagieren. Weil sie von uns als normal, alltäglich und schlichtweg nicht besonders eingestuft werden.
Besonders spannend, aufregend und catchy für unser Gehirn sind also Szenarien, die sich von den gewohnten, alltäglich wahrgenommenen Themen und Situationen stark abheben, weil wir sie nicht sofort einordnen können. Der Verarbeitungsprozess der erhaltenen Informationen dauert also länger und benötigt mehr Aufmerksamkeitskapazität. Je spannender und aufregender Informationen für uns sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein größtmöglicher Anteil der 40 Bits dafür verwendet wird, diese aufzusaugen.
Hast du bemerkt, wie wir das gemacht haben? Themen wie Sex, Gewalt, Sensation, Prominenz – alles was einen Hauch von Verbot, Kriminalität, Aufregung und Überraschung enthält lenkt unser Gehirn dorthin und triggert sehr häufig unsere ungeteilte Aufmerksamkeit.
Wenn zusätzlich mehrere Sinne gleichzeitig angesprochen werden, wird dieser Effekt noch zusätzlich verstärkt. Wir konnten zwar weder deinen Fühl- noch deinen Riech- oder Geschmackssinn triggern, jedoch haben wir durch Musik dein Gehör angesprochen und gleichzeitig deinen Augen einiges an Verarbeitungsaufwand beschert.
Wir haben zwar deine Aufmerksamkeit mittels psychologisch bewährter Methoden gecatched – doch wie kann es gelingen, deine Aufmerksamkeit auch zu halten?
Wird unser Gehirn nämlich nicht genug gefördert, werden zu wenige Sinne angesprochen, sind Informationen oder Situationen alltäglich oder werden eintönig dargestellt, sinkt unsere Aufmerksamkeit exponentiell. Das führt beispielsweise dazu, weshalb viele Leute längere Online-Artikel nach kurzer Zeit abbrechen und nicht bis zum Ende lesen. Ihre Aufmerksamkeit ist erschöpft, das Gehirn unter- oder überfordert, was in einem Gefühl der Langeweile resultiert.
Unser Gehirn ist immer auf der Suche nach Unterhaltung. Die Wahrnehmungspsychologie sagt, dass unsere Aufmerksamkeitsspanne verlängert werden kann, indem Informationen möglichst unterhaltsam und vor Allem in kleinstmöglichen Portionen aufbereitet werden, durch die mehrere Sinne gleichzeitig angesprochen werden.
Sieht unser Gehirn beispielsweise einen langen Text, ohne Bilder, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er unsere Aufmerksamkeit catched geringer, als wenn dieser Text in kleine Einheiten aufgesplittet wird, die mit Ton, Bewegtbildern oder Ähnlichem untermalt sind.
Was bringt dir dieses Wissen? Beobachte doch mal deine eigene Wahrnehmung, vor allem im Bezug auf Medien. Wie kämpfen hunderte Seiten und Personen auf Social Media, Millionen Werbespots und zahlreiche Politiker*innen darum, wenigstens ein klein bisschen von deiner Aufmerksamkeit zu ergattern?
Du hast 40 Bits/Sekunde an Aufmerksamkeit zur Verfügung – daran lässt sich nichts rütteln. Doch wenn du dir darüber bewusst wirst, kannst du selbst darauf achten, sie gezielt einzusetzen und zu steuern, um sie nicht unnötig zu verschwenden und vor Allem, nicht auf die aufmerksamkeitssaugenden Tricks und Manipulationsversuche von Politik, Werbung & Co. reinzufallen.
Du glaubst du bist gegen die ständig versuchte Manipulation deiner Aufmerksamkeit immun? Hast du bemerkt, wie viel neue Information du durch das durchklicken dieser Website gerade erhalten hast? Wenn du schätzen müsstest – wie viel Fließtext hast du in den letzten 10 Minuten gelesen?
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½ Seite
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1 Seite
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mehr als 1 Seite
Du hast soeben knapp zwei Seiten Fließtext konsumiert, ohne es zu merken! Wie? Da haben wir wohl nicht nur deine Aufmerksamkeit gecatched, sondern sie auch gezielt gehalten!
Der amerikanische Hirnforscher James Olds führte 1953 ein Experiment durch. Er steckte einer Hand voll Ratten Elektroden in ihr Hirn. Genauer gesagt in das limbische System, dem Teil des Hirns das zuständig ist für die Verarbeitung von Emotionen und Triebverhalten. Mit einem Tastendruck konnten die Ratten selber einen Impuls in ihrem Hirn auslösen, durch den sie starkes Glück empfanden - einem Orgasmus gleich. Unbeirrt begannen die Tiere damit, sich mit der Elektrode im Hirn zu stimulieren. Vor die Wahl gestellt, ob sie etwas fressen oder lieber ihre Lustregion stimulieren wollen, entschieden sich die Ratten dafür weiter die Taste zu betätigen. Abgelenkt und Süchtig nach dem Glücksgefühl, verhungerten die Tiere an ihrer Lust.
Absurd, nicht? Oder kommt ihnen das irgendwie bekannt vor? Haben sie heute schon auf eine Taste gedrückt? Wie oft? Welche? Die an ihrem Handy? Damit sind sie nicht allein. Wenn es darum geht Tasten für Glücksgefühle zu betätigen, unterscheiden sich die meisten Smartphone-Nutzer nicht allzu sehr von einer Durchschnittsratte. Weltweit besitzen über 2 Milliarden Menschen ein Smartphone. Im Schnitt verwendet ein Smartphone-Besitzer sein Handy über 70-mal pro Tag. Zählt man jede Berührung kommt er täglich auf 2617. Zweitausendsechshundertsiebzehn. Pro Tag. Die meisten frisch verliebten Pärchen berühren sich seltener. Warum ist das so?
Die Zeiten in denen man offline war, sind vorüber. Das Internet ist ein fester Teil des Lebens. Die Menge an Information mit der ein jeder täglich konfrontiert ist, hat unüberschaubare Ausmaße angenommen. Nicht nur deshalb, ist es hart in diesem Chaos an Information herauszustechen. In dem Buch Ökonomie der Aufmerksamkeit beschrieb Georg Franck schon 1993, wie Unternehmen zunehmend um eine knappe und wertvolle Ressource kämpfen: Aufmerksamkeit. Diverse Plattformen – wie Zeitungen, Radio, Fernsehen, Websites oder Apps – tragen sich finanziell, indem sie die Aufmerksamkeit ihrer Nutzer an den Höchstbietenden verkaufen. Nutzer bekommen die "kostenlosen" Inhalte. Produzenten bekommt die Klicks, die Likes, die Views und machen Platz für Werbung. Doch ist die Konkurrenz groß und in Folge hat es sich eine ganze Industrie zur Aufgabe gemacht Aufmerksamkeit zu generieren.
Emotionen hervorzurufen ist die Grundlage für Aufmerksamkeit. Umso stärker die Emotion,
desto mehr Aufmerksamkeit. Das macht sich die Aufmerksamkeits-Ökonomie zu nutze. So landen z.B. radikalerer Inhalte im Feed, da sie mehr Emotion auslösen und öfter geteilt werden. Die abgespielten Geräusche beim klicken der Tasten und Felder, sind dafür da Gefühle auszulösen. Benachrichtigungen und Apps werden rot designt, da es eine Auslöserfarbe ist, die sofort wahrgenommen wird.
Am liebsten schenken wir unsere Aufmerksamkeit aber an etwas, dass uns glücklich macht. Soziale Belohnung durch Likes und Katzenvideos machen Spaß. Zusätzlich ist es ein unendlicher Spaß. Ständig erscheinen neue Inhalte. Timelines haben kein sichtbares Ende. Autoplay führt einen nach wenigen Sekunden weiter ins nächste Video. Das aktualisieren des Feeds als kleiner Orgasmus. All das nicht aus Freundlichkeit, sondern damit Konsumenten mehr Zeit auf der Seite verbringen. Es wird weitergescrollt, da man nie vollkommen befriedigt sind.
Doch geht der Kampf um Aufmerksamkeit nicht nur von Unternehmen aus, die versuchen ihre Inhalte und Werbebanner zu verbreiten. Ein jeder versucht mit Online-Aktivitäten die Beachtung anderer zu erhaschen. Nach Franck ist „Die Aufmerksamkeit anderer Menschen die unwiderstehlichste aller Drogen.“ Das Bedürfnis nach Anerkennung überträgt sich in das digitale Leben. Posten und teilen, damit es andere sehen. Schreiben und kommentieren, als soziale Interaktion.
Auch hat man Angst nicht auf dem Laufenden zu sein. Fear of missing out (FOMO) die krankhafte Angst etwas zu verpassen, ist zum Phänomen unserer Zeit geworden. Eifrig und immer wieder wird das Smartphone herausgekramt, um zu sehen, ob man etwas versäumt hat. Bei jeder Vibration und jedem Laut des Handys, schießt das Glückshormon Dopamin in unser Hirn. Ähnliches passiert bei Drogen oder anderen Suchtmitteln. An sich selber will es nur keiner wahrnehmen, das sind andere. Man leugnet und verdrängt, wie die meisten Süchtigen.
Sehen sie den Rattenschwanz?
Das Center for Humane Technology sucht Wege den süchtig machenden Technologien entgegenzutreten oder sie zumindest zu kontrollieren. Ein Weg ist sich selber zu regulieren. Beispielsweise dadurch seine Apps zu reduzieren, Bildschirme aus dem Schlafzimmer zu verbannen, oder am Smartphone nur Mitteilungen zuzulassen, die von Personen und nicht von Maschinen generiert wurden. So vibriert das Handy nicht, weil Apps mit irgendeinem Vorwand Zuwendung beanspruchen, sondern weil ein echter Mensch eine Nachricht geschrieben hat.
Der andere Weg liegt auf der Seite der Unternehmen. Die dazu angehalten werden ihre Produkte humaner zu designen. Bedeutet, vor ständiger Ablenkungen zu schützen und Bildschirmzeit zu minimieren. Stattdessen soll Technologie versuchen, Menschen tatsächlich zu helfen, indem man nützliche Tools bietet. Die Crux liegt darin, dass es für viele Unternehmen zum Geschäftsmodell geworden ist, das Gegenteil zu tun: Zeit fressen.
In einem Interview wurde der amerikanische Comedian Louis CK mal gefragt, weshalb er seinen Kindern Smartphones verbiete. Seine Antwort schweifte etwas ab, behielt aber ihre Klarheit: „You need to built an ability, to just be yourself and not be doing something. That's what the phones are taking away.“ Anstatt sich mit dem Getippe permanent abzulenken, sei es wichtiger einfach mal zu sein. Nicht bei jedem Hauch von Langeweile sein Handy zu zücken, sondern Momente der Leere zuzulassen. Nicht jede Emotion oder ernste Gedanken mit scrollen zu verdrängen, sondern diese wahrzunehmen: „That’s being a person“.
Vielleicht ist das der Rat dieses Beitrags: Mehr Stille zulassen, weniger ablenken. Mal nichts tun, oder zumindest weniger. Ohne Bildschirm im Bett liegen. Ein ganzes Album der Lieblingsband hören, ohne etwas Anderes zu tun. Das Handy nicht auf die Toilette mitnehmen. Eventuell Meditation probieren, ganz unesoterisch. Schreiben, malen, atmen. Weniger berieseln lassen, mehr denken.
„You are, where your attention is“ schrieb Andrew Sullivan in einem Essay über seine eigene Ablenkungssucht. Lebenserfahrung ist das, worauf man von Moment zu Moment seine Aufmerksamkeit lenkt. Will man nicht ähnlich wie die Ratten mit Elektroden in ihrem Hirn enden, sollte man vielleicht überlegen worin man diese Aufmerksamkeit investiert.
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